Astrologie
Thomas Schäfer
Sternenkult und Astrologie Von den frühen Kulturen bis zum Mittelalter
Paperback, 213 S. Düsseldorf: Patmos, 2004 € 9,95 ISBN 3-491-69177-6
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»Sternenkult und Astrologie«, erstmals 1993 erschienen, ist nun in einer handlichen und preiswerten Paperback-Ausgabe neu aufgelegt worden.
In den auch gegenwärtig geführten Debatten um den Wahrheitsgehalt der Astrologie formieren sich nach wie vor verschiedene Lager. Lehnen die einen jegliche Verbindung zur Astronomie und Naturwissenschaft vehement ab, um die Astrologie an psychologischen Kriterien zu orientieren und, wenn überhaupt, als eine Erfahrungswissenschaft bzw. –lehre zu definieren, widmen sich andere den Versuchen, die Aussagekraft astrologischer Deutungen und Vorhersagen mit Hilfe naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden zu prüfen.
Wie sehr diese unterschiedlichen Bestrebungen in der Menschheitsgeschichte und hier speziell der Entwicklung astrologischer Weltanschauungen und Praktiken verankert sind, zeigt der vorliegende stark komprimierte schriftliche Streifzug »von den frühen Kulturen bis zum Mittelalter«.
»Die Entwicklung von Astronomie und Naturwissenschaft verdanken wir, so unglaublich es auch klingen mag, den irrationalen und astralreligiösen Anschauungen unserer Vorfahren. Ohne Dämonen- und Kometenangst hätte sich der Mensch nie bemüht, mit der Klärung des Verhältnisses Mensch-Kosmos zu beginnen. Es versteht sich von selbst, dass jene Anfänge mit unserem heutigen Weltbild nicht mehr zu vereinen sind, doch nichtsdestoweniger bilden sie dessen notwendige Vorstufe.« (S. 9)
Dass astralreligiöse Anschauungen und Dämonenglauben noch immer selbstverständliche Triebkräfte gegenwärtiger astrologischer Deutungspraxis sind, hätte ich diesen Zeilen im Geiste gerne hinzugefügt. Die Geschichte liegt zwar zeitlinear betrachtet hinter uns, ist jedoch nicht zu leugnender Bestandteil der Gegenwart.
Bei seinen Schilderungen stützt sich Thomas Schäfer auf die Archetypen-Lehre C. G. Jungs:
»Nach C. G. Jung sind Archetypen latent vorhandene Vorstellungen, die in jedem Menschen prinzipiell abrufbar sind. Kennzeichnend für den Archetypus ist, dass er nicht aus den Schichten des persönlichen Unbewussten, sondern aus dem kollektiven Unbewussten stammt.« (S. 15)
Dazu ein Zitat C. G. Jungs:
»„Bei schwierigen psychologischen Diagnosen lasse ich meist ein Horoskop stellen, um einen anderen, neuen Gesichtspunkt zu gewinnen. In vielen Fällen enthielten die astrologischen Angaben eine Erklärung für bestimmte Tatsachen, die ich sonst nicht verstanden hätte. Aus solchen Erfahrungen zog ich den Schluss, dass die Astrologie für den Psychologen von besonderem Interesse sei. Sie beruht auf einer psychischen Erfahrungstatsache, die wir als ‚Projektion’ bezeichnen – d. h. es sind sozusagen seelische Inhalte, die wir in den Sternenkonstellationen finden. Ursprünglich entstand daraus die Idee, dass diese Inhalte von den Sternen kämen, während sie doch nur in einer synchronistischen Beziehung zu ihnen stehen. Ich gebe zu, das ist sehr seltsam und wirft ein eigentümliches Licht auf die Struktur des menschlichen Geistes.“« (S. 192-193)
Das eine wie andere Erklärungsmodell bleibt als Modell jedoch Anschauungslehre. Herrscht heute im Allgemeinen Übereinstimmung darin, dass die Sterne keine Götter sind, hat sich die Gottesverehrung verlagert auf die Anbetung irdischer Stellvertreter in versteckten oder auch offen zelebrierten Personenkulten, in welchen auch C. G. Jung eine nicht unmaßgebliche Rolle spielt.
Die Anbetung der Sterne vergangener Epochen fand ihre irdische Entsprechung in der Erhöhung einzelner »Stars«, so sehr manche »Gurus« die Mitverantwortung für ihre göttliche Stellvertreter-Rolle auch zu leugnen suchen.
Für fragwürdig halte ich ein Erklärungsmodell, in dem die Existenz eines »kollektiven Unbewussten« bzw. unbewussten Kollektivs als Begründung für die Ähnlichkeit der in Menschen verschiedener Kulturen auftauchenden Bilder angenommen wird. Es bedarf keines Kollektivs im Geiste, ob bewusst oder nicht, um den Menschen im spezifischen Menschsein zu begreifen mit der Einsicht, dass Bewohner eines Planeten den selben Naturgesetzen unterworfen sind und deren Ursprüngen gemäß zu ähnlichen Sichtweisen sowie ihrer Darstellung durch Symbole und Bilder gelangen. Mit dem Vorhandensein eines kollektiven Unbewussten wird dem Einzelnen sogleich seine individuelle Ohnmacht und Gefangenschaft suggeriert. Eine Anschauung, die auch dem von Bert Hellinger vor Publikum zelebrierten Familien-Stellen dienlich scheint, während der Einzelne als Teil eines unentrinnbaren Machtgefüges bevormundet wird.
An einem Beispiel aus dem Buch möchte ich die Möglichkeit eines alternativen Gedankenganges aufzeigen, der von dem Autor nicht in Betracht gezogen wurde infolge der Thematisierung der in Indien praktizierten »Palmblattastrologie«:
»Diese seltsame Form der Astrologie hätte ich an dieser Stelle mit keinem Wort erwähnt, wenn mir nicht vor mehreren Jahren ein deutscher Ingenieur – der, nebenbei bemerkt, auf mich einen völlig normalen Eindruck machte – folgende Geschichte erzählt hätte:
Auf einer Urlaubsreise drängten ihn indische Freunde in Neu-Delhi, er solle einen Palmblattastrologen aufsuchen. Der Ingenieur fasste die ganze Sache als Spaß auf, weil er als Naturwissenschaftler solche Dinge ablehnte; ohne das Drängen der Freunde wäre er auch wohl nicht zu dem Astrologen gegangen. Um die Sache vor den anderen als Unsinn zu entlarven, gab er dem Astrologen eine falsche Geburtsangabe; dieser zog sich für längere Zeit in sein Archiv zurück und kam dann grinsend wieder zurück. Auf dem uralten Palmblatt war zu lesen, dass sich der betreffende Europäer an einem Dienstag einfinden (was stimmte!) und eine falsche Geburtsangabe machen würde (das Datum war angegeben), weil er das Ganze für Humbug hielt. Die richtigen Geburtsdaten enthielt das Palmblatt ebenfalls, was der Ingenieur mit Bestürzung zugeben musste. Desweiteren musste er alle auf dem Palmblatt angegebenen Details aus seinem Leben ebenfalls bestätigen. Diese Erfahrung mit der Palmblattastrologie berichte ich nur, weil sie mir persönlich mitgeteilt wurde; welche Schlüsse aus ihr zu ziehen sind, überlasse ich ganz den Leserinnen und Lesern.« (S. 102)
Ob der Autor diese Geschichte »nur« erwähnt, weil sie ihm persönlich erzählt wurde, oder er unbewusst, d. h. nicht offen zugegeben bezweckt, dem Wahrheitsgehalt palmblattastrologischer Deutungen sein persönliches Gewicht zu verleihen (»was stimmte!« schließt immerhin mit einem Ausrufungszeichen), bleibt mir als Leserin ebenso frei zu folgern wie die Fragestellung, ob die indischen Freunde des Ingenieurs den Palmblattastrologen persönlich kannten, um ihn zuvor über die Daten des befreundeten Ingenieurs zu unterrichten und sich ein illusionsträchtiges Spiel zu leisten, in dem die Glaubensbereitschaft des sich bis dahin aufgeklärt präsentierenden Naturwissenschaftlers manipulierend herausgefordert wird.
So sehr jemand bemüht ist, eine sachliche Geschichte zu formulieren, bleibt es doch bei einer persönlich vollzogenen Auswahl von Zitaten und ihrer subjektiv gesteuerten rhetorischen Darstellung, dessen sich der Autor jedoch bewusst sein dürfte, wenn er am Ende seines Werkes schreibt:
»Bei all dem scheint mir jedoch der Hinweis wichtig, dass die Astrologie nur unter bestimmten Bedingungen funktioniert. Nach Frau von Franz ist der Synchronizitätseffekt („Zufallstreffer“) ein „Indikator noch nicht bewusst gewordener Inhalte.“ Je „virulenter“ das Unbewusste ist, desto stärker ist die Chance eines Deutungstreffers.« (S. 191)
Warum kompliziert, wenn es auch einfacher geht:
Je weniger sinnliche und konkrete Erfahrungen ein Mensch mit greifbarer Materie macht, desto mehr ist er in geistiger Tätigkeit verhaftet bzw. umgekehrt. Der Glaube ist ein Konstrukt des Geistes, und je stärker ihm der Mensch verfallen ist, desto wundersamer erscheinen ihm die seltenen Momente der Übereinstimmung zwischen Glaubensbild und realer Erscheinung bzw. sinnlich erfahrenem Erlebnis. Menschen ohne solch ausgeprägten Zwiespalt durch Entfremdung zwischen Seele, Geist und Körper werden über die teilweise ekstatisch ansinnenden Wunderbeschwörungen mancher Mitmenschen von gestern und heute demnach höchstens mit den Augenbrauen zucken.
Haben mich die von Schäfer vollzogenen an C. G. Jungs Anschauungen orientierten Erklärungsversuche (mit noch einigen weiteren Ausrufungszeichen) auch streckenweise zu inniger Kritik herausgefordert, so empfand ich die Darstellung geschichtlicher Begebenheiten rund um die Astrologie, ihrer Anwendung und Verbreitung durchaus als lesenswert und bereichernd. Auch das weiterführende Literaturverzeichnis ist ein Gewinn für forschende sowie kritische »Geister« mit Seele UND Körper auf diesem Erdball.
Jutta Riedel-Henck, 30. Juni 2004
Geoffrey Cornelius Paul Devereux Die Sprache der Sterne Ein visueller Schlüssel zu den Geheimnissen des Himmels
Klappenbroschur, 368 S. Düsseldorf: Patmos, 2004 € 14,90 (D) ISBN 3-491-45042-X
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An Büchern über die Sterne mangelt es nicht auf dem Markt der Medien. Astrologische Deutungs-Lektüre aus diversen Schulen und ihren kaum mehr nachvollziehbaren Abzweigungen durch einzelne Autoren gibt es inzwischen in solchen Massen, dass die Frage nach Sinn bzw. Unsinn der darin vertretenen Ansichten und ihrer Übertragbarkeit berechtigt ist.
Der Boden gegenwärtig verfügbarer Angebote astrologischer Literatur wirkt alles andere als stabil. Aller vermeintlichen Aufklärung zum Trotz dient der Sternenhimmel unzufriedenen Erdenbewohnern als Projektionsfläche für unendliche Sehnsüchte. Zwischen Religion und Wissenschaft nimmt die Astrologie einen immer breiteren, aber konturenlosen Grenzstreifen ein. Interpretationsmuster wachsen zu Weltanschauungen, um die gestritten wird wie um realen Grund und Boden, während die wahre Realität eine beängstigende Verwahrlosung erfährt.
Mit dem Titel »Die Sprache der Sterne: Ein visueller Schlüssel zu den Geheimnissen des Himmels« scheint nun eine neue Lieferung für Himmelstouristen eingetroffen zu sein. Sprechende Sterne, Geheimnisse oder gar verborgene Schätze in den Weiten des Weltraums? Die Verlockung findet auf der Buchrückseite ein vorläufiges Ende:
»Das Firmament ist eine grenzenlose und geheimnisvolle Leinwand, auf die wir unsere Sehnsüchte projizieren«, heißt es in großen Lettern. Und schließlich:
»Himmlische Erscheinungen haben die Völker seit jeher fasziniert. Zahllose Kulturen verbinden mit Sternen, Mond und Sonne besondere Bedeutungen und Mythen. Dieses Buch führt den Leser souverän durch eine der wichtigsten Symbolwelten der Menschheit.
- Ein reich illustrierter Band, der erstmals Astrologie, Astronomie, Archäologie, Mythologie und Naturwissenschaften verbindet
- Vermittelt den Symbolgehalt von Sonne, Mond und Sternkonstellationen in unterschiedlichen Kulturen – von den Anfängen bis zur Gegenwart
- Erläutert die Zusammenhänge zwischen kosmischen Phänomenen und Mythenbildung
- Enthält verblüffende Einblicke in die Planetenausrichtung von Kultstätten wie Stonehenge, Karnak und Chichén Itzá«
»Verblüffende Einblicke« … den Einfluss des Lesestoffes vorwegzunehmen wirkt als Untermauerung angekündigter Souveränität nicht gerade förderlich. Auch das Layout in seiner durchkomponierten Gestaltung, da die Texte durch zahlreiche Abbildungen ergänzt und mit ebensolchen hinterlegt sind, suggeriert eine die Sehnsucht tragende Stimmung.
Ernüchternd wirkt die Handhabung des kleinformatigen (10,8 x 17,1 cm), aber 368-Seiten starken Buchblocks, dessen stabile Klebebindung das Aufschlagen der Seiten erschwert, so dass Texte und Bilder sich teilweise im Inneren des Buchrückens zu verlieren drohen und nur durch intensive Biegung des harten Papiers les- bzw. sichtbar werden.
Der Autor Geoffrey Cornelius »ist ausgewiesener Astrologe« und »war Präsident der Astrologischen Loge in London und Herausgeber der Vierteljahreszeitschrift Astrology«. Paul Devereux wird als »international anerkannter Autor und Spezialist für kognitive Archäologie in Verbindung mit Astronomie« vorgestellt. Auf Grund solcher Fachkompetenz vermute ich, dass sich der Fehler auf Seite 143, in dem die Wintersonnenwende den Eintritt der Sonne in das »Saturnzeichen Widder« (statt Steinbock) markiere, bei der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche eingeschlichen haben könnte.
Als kleines Nachschlagewerk und vom Verlag ausgewiesenes »Geschenkbuch« bietet dieser ästhetisch ansprechende Band einen kompakten Ein- und Überblick in die Vielfalt historischer Überlieferungen verschiedener Kulturen, ihrer Mythen und Anschauungen im Wandel der Zeiten, verbunden mit astronomischen Erklärungen. Obwohl die vielen Abbildungen den Lesefluss unterbrechen und die erläuternden Texte ins Abseits drängen, bleibt es bei einem ausgewogenen Verhältnis von Wort und Bild mit einer ansehnlichen Sammlung kunstvoller Darstellungen rund um die Sternenschau zwischen gestern und heute.
Jutta Riedel-Henck, 16. November 2004
Andreas Hergovich Die Psychologie der Astrologie
Paperback, 210 S. Bern: Hans Huber, 2005 € 26,95 (D) ISBN 3-456-84195-7
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Ein kompaktes Werk zur kritischen Prüfung astrologischer Deutungen und Prognosen mit einer Fülle von Quellen hat Andreas Hergovich, Universitätsprofessor am Institut für psychologische Grundlagenforschung in Wien, erarbeitet.
»Nach einem Überblick über die Geschichte der Astrologie geht der Autor auf die Grundlagen der Horoskopie ein. Für den Leser leicht nachvollziehbar wird erklärt, was hinter Begriffen wie Tierkreiszeichen, Aszendent oder Aspekten steckt. Anschließend folgt eine kritische Beurteilung des astrologischen Lehrgebäudes aus wissenschaftlicher Perspektive und ein Überblick über die empirischen Forschungsbemühungen zur Gültigkeit astrologischer Thesen. Zuletzt wird anhand psychologischer Theorien und Studien die weit verbreitete Astrologie-Gläubigkeit diskutiert.« (Buchrückseite)
Leicht verdauliche Lektüre bietet das vorliegende Buch nicht, für einen tieferen Einstieg in die Materie dürfte mehrmaliges Lesen unumgänglich sein. So zählt Hergovich nicht zu jenen Kritikern, die sich um eine Auseinandersetzung mit astrologischen Gesetzmäßigkeiten und ihrer intensiven Beleuchtung drücken, um sachliche Aufklärung bemüht, widmet er sich den psychologischen Wirkungen und Fallen astrologisch-bildhafter Darstellungen aufschlussreich und differenziert, wenn auch die vielen statistischen Ergebnisse diverser Studien für einen Laien schwer nachzuvollziehen sind.
Allein die Tabelle »Kognitive Täuschungen und ihre mögliche Anwendung auf die Astrologie« (S. 190) sollte allen, die mit Astrologie leben und/oder arbeiten nicht nur zu denken geben.
Eine gewichtige Neuerscheinung, die verständlicherweise kaum zum Bestseller unter Astrologen avancieren wird …
Jutta Riedel-Henck, 1. November 2005
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